Was einst schlichter Tresterschnaps für den Hausgebrauch war, hat sich zu einer edlen Spirituose entwickelt. Heute kann galicischer Orujo locker mit anderen berühmten Tresterbränden mithalten.
Dass die Reste der Weinherstellung kein schnöder Abfall sind, wissen die Winzer schon seit Jahrhunderten – in Spanien ebenso wie in Deutschland oder Italien. Aus den Rückständen entsteht durch Destillation feiner Tresterbrand. Die Spanier nennen ihn »aguardiente de orujo« – oder kurz Orujo. In Galicien ist der Orujo so etwas wie der Nationalschnaps und wird dort seit Jahrhunderten von vielen Bauern und Winzern gebrannt.
Das Wort »orujo« bedeutet schlicht »Trester«, die festen Bestandteile also, die beim Pressen von Weintrauben übrigbleiben: Schalen, Kerne und Stiele. In ihnen sind noch jede Menge feine Traubenaromen enthalten – vor allem, wenn die Maische beim Weinmachen nicht allzu stark gepresst wurde. Diese Aromen in edlen Bränden zu konservieren oder gar zu verstärken ist eine Kunst. Und die beherrscht man in Galicien aus dem Effeff.
Die hohe Kunst des Brennens
Für Orujo wird der Traubentrester zunächst in großen Kesseln vergoren und danach gebrannt. Traditionell geschieht das in kupfernen Destilliervorrichtungen, den »alquitaras« oder »alambiques«. Viele Brennmeister (»poteiros«) beherrschen noch das Brennen über offenem Feuer – eine wahre Kunst, da die genau dosierte, langsame und konstante Hitzezufuhr die Qualität des Brandes entscheidend beeinflusst. Bei vielen kleineren Herstellern sind solche Geräte immer noch im Einsatz, doch natürlich gibt es heute auch moderne Destillieranlagen. Ihr Vorteil: Sie brennen sauberer und lassen sich exakt regulieren, was der Qualität natürlich zugutekommt.
Wie bei allen guten Bränden, nutzt man für Orujo nur den so genannten »Mittellauf« des Destillats, da die Flüssigkeit, die am Anfang und Ende des Brennvorgangs aus der Destille läuft, giftige Fuselöle enthält. Je nach gewünschter Qualität wird Orujo ein- oder zweimal gebrannt. Dann wird das sehr hochprozentige Destillat mit Wasser auf den gewünschten Alkoholgrad verdünnt.
Direkt aus der Destille oder im Holzfass gereift
Einfacher Orujo (»aguardiente de orujo«) ist farblos und glasklar. Zur Veredelung werden manche Orujos auch noch in Holzfässern gereift (»aguardiente de orujo envejecido«), was dem Brand eine strahlende Bernsteinfarbe und sanfte Holzaromen verleiht. Der Alkoholgehalt eines Orujos kann zwischen 37 Vol. % und 50 Vol. % liegen. Empfehlen würde ich Ihnen einen Brand von maximal 42 Vol. %, denn bei höherem Gehalt überlagert meist der starke Alkohol den typischen Traubenfruchtgeschmack.
Für beste Qualität bürgt seit 1989 das Gütesiegel »Denominación Específica (D.E.) de Orujo de Galicia«, das heute die Brände von mehr als 30 Herstellern tragen dürfen.
Schmausen und feiern mit Orujo
Übrigens schmeckt galicischer Orujo nicht nur pur – etwa als edler Digestif. Er ist auch wichtigste Zutat der legendären Queimada, einer Art keltischer Feuerzangenbowle aus Orujo, Kaffee, Früchten und Gewürzen, die in großen Kesseln flambiert wird (mehr dazu gibt’s dann im Winter…). Da die Gallegos Genießer sind, kippen sie Orujo natürlich auch in den Kochtopf, etwa zum geschmorten Huhn, zum Weihnachtskapaun oder auch in Fischgerichte – und in Desserts sowieso.
Und wenn Sie mal vor Ort alles rund um den Orujo und andere Schnäpse und Liköre erfahren möchten, können Sie in Galicien eines der traditionellen Spirituosenfeste besuchen. Zum Beispiel die Fiesta del Aguardiente (galicisch Festa da Aguardente) am 17./18. August in Sela in der Provinz Pontevedra. Die Fiesta de Orujo steigt dann am zweiten Novemberwochenende in Potes. Das ist zwar nicht in Galicien, sondern in Kantabrien, gilt aber als bestes Orujo-Fest des Landes.
Wem übrigens der reine Tresterbrand (aguardiente de orujo) zu scharf ist, der findet in Galicien milde und süße Liköre, die als Alkoholbasis den Tresterbrand haben, und dann mit Kräutern (licor de hierbas), Sahne (crema de orujo) oder Kaffee (licor de café) verschnitten und veredelt werden. Salud und viel Freude beim Probieren wünscht Jamon.de Feine Kost aus Spanien!